III. Hotline-Praxis
„Ich hab da mal ne Frage“
Kannte man die gebührenpflichtigen „Hotlines“ noch vor wenigen Jahren auf ganz anderen Gebieten, auf deren Einzelheiten nicht näher eingegangen zu werden braucht, haben diese „Service-Leistungen“ mittlerweile auch Einzug in den anwaltlichen ‚Rechtsberatungs-Verkehr’ gehalten. Mit der Botschaft „Ich hab da mal ne Frage“ wird Deutschlands Vorzeige-‚Bobbele’ denn auch seit geraumer Zeit von einem der ganz Grossen der Versicherungswirtschaft, Europas Nummer 1 beim Rechtsschutz, medienwirksam in Szene gesetzt, um potentielle Neumandanten der Anwaltschaft zu entziehen, quasi i.S.e. ‚mandatus interruptus’.
Sicherlich, ganz umsonst ist der „Spaß“ nicht, der Preis ist ‚heiss’, also ‚hot’, denn für ganze 4,99 Euro – und das man höre und staune… im Monat, ist der Rechtsuchende dabei. ‚Rote Öhrchen’ wird er durch die erbrachte juristische Dienstleistung kaum bekommen, die Zornesröte ins Gesicht getrieben, da schon eher, spätestens jedenfalls zu dem Zeitpunkt, an dem er feststellt, dass er den erwünschten ‚qualifizierten Rechtsrat’ für 4,99 Euro (nochmals: im Monat), wohl eher nicht bekommen kann.
Den deutschen Rechtsschutzversicherern geht es schlecht, so schlecht, dass sie sich zwar gelegentlich das größte Bürogebäude Düsseldorfs hinstellen, andererseits aber alles Erdenkliche versuchen, um kostenmindernd einzuschreiten, vor allem bei den Schadenregulierungen. Da bietet es sich doch geradezu an, mit dem, was in der Anwaltschaft bis vor kurzem noch nicht nur verpönt war, sondern auch verboten, nämlich der Gründung einer eigenen ‚Anwalthotline’, einer sogenannten ‚Rechtsauskunft’, nun auch den Rechtsberatungsmarkt ‚aufzumischen’ und das zu Konditionen, bei denen der zuständige Ausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer resigniert die Segel streicht. Eine Unterbietung der vom Konkurrenten angebotenen Beratungssätze komme nicht in Betracht, so verlautet es von höchster anwaltlicher Stelle.
Von 90.000 telefonischen Anwaltsberatungen jährlich ist die Rede und von „Erfolgsquoten“ von bis zu 99 % bei der „telefonischen Erledigung“ wird von Versicherern berichtet. Prima, das ‚probate Mittel’ zur direkten Schadenskostensenkung scheint gefunden: Rasch mal den rechtsunkundigen Anfragenden beraten, ein weiterer Anwaltsbesuch wird damit obsolet. Der Rechtsschutzversicherer braucht dann nicht mehr einzutreten.
Nun mag jeder von ‚Anwaltshotlines’ halten was er will. Geht etwa das Anliegen des Rechtssuchenden über Alltagsbanalitäten im juristischen Gewande nicht hinaus, dürfte 4,99 Euro für eine kurze Rückfrage, die z.B. im Bekanntenkreis nicht zu klären ist, sicher gut angelegtes Geld bedeuten. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Aus ‚Ich hab da mal ‚ne Frage’, wird sehr schnell: ‚ich hab da mal ne zweite und ne dritte Frage’. Und kommt dann noch die vierte und fünfte Frage hinzu, wird die Sache schon heikler.
Die Frage muss also nicht lauten: unterbietet die Anwaltschaft derartige Angebote der Konkurrenz, sondern lässt sie die Konkurrenz Wildwuchs betreiben, ohne regulierend einzugreifen.
Welche Mittel bieten sich dafür an? Das Berufsrecht? Wohl eher nicht mehr, meint Rechtsanwalt Christian Dahns, Geschäftsführer der BRAK. Wie sieht es denn dann mit dem Wettbewerbsrecht aus? „Mandanten wird suggeriert, dass ‚Recht’ ganz einfach sei. Das ist es im Normalfall aber gerade nicht“, so Christian Dahns weiter. Handelt es sich denn bei der ‚Rechtsauskunft’ nicht vielleicht um ein ‚Lock-Vogel-Angebot, also eine ‚Mogelpackung’ für den unbedarften Rechtssuchenden, der damit in die ‚Fänge’ eines deutschen Grossunternehmens, frei nach dem Motto: D..ann, A..ber, S..chnell, gelangt? Das wäre zumindest in denjenigen Fällen zu bedenken, in denen der Teilnehmer der ‚D.A.S.-Rechtsauskunft’ darauf verwiesen wird, die gestellte Frage liesse sich doch nicht auf die Schnelle beantworten und er solle sich einmal an einen der Vertrauens-/bzw. Vertragsanwälte des Unternehmens wenden.
Clevere haben die hehren Ziele mittels Anzeigenkampagne längst durchschaut. War es nicht auch derselbe Anbieter, der unlängst mit der Aussage: „Da werden Sie geholfen“ für Zündstoff im deutschen Sprachgebrauch sorgte? Ach nein, das war dann doch jemand anderes…..
Können schließlich zivilrechtliche Vorschriften herangezogen werden? Kaum, es sei denn die Auswirkungen der erteilten ‚qualitativen’ Rechtsberatung machen sich in der Folge durch gehäufte Regressverfahren bemerkbar.
Oder, warten wir doch einfach einmal ab, ob sich das Problem nicht von selber lösen wird, spätestens dann nämlich wenn der Rechtssuchende mit seiner sechsten oder siebten Anfrage an die ‚Rechtsauskunft’ herantritt. Aber gegen derart unliebsame Kunden hat sich der Versicherer selbstverständlich bereits abgesichert: denn nach zwei erledigten Schadenfällen darf er ihn kündigen, so eine Mitteilung des Unternehmens auf Nachfrage.
JURAXX, die Einmal-Aktion des Berliner Anwaltvereins: Rechtsberatung für 1,- Euro für Hartz IV-Empfänger und die in der Vergangenheit am Berliner Ostbahnhof hinter den Waschküchen erbrachten anwaltlichen Dienstleistungen eines Anbieters, (diese allerdings vielleicht auch ortsbedingt) haben vorgemacht, dass sich zu Dumpingpreisen nicht ohne weiteres anwaltlich arbeiten lässt und in welche Richtung der Zug abfahren kann.
Mein heißer (oder besser:Hot-)Tipp an den Rechtssuchenden jedenfalls lautet: Wende dich mit deiner Anfrage wie gehabt an einen Rechtsanwalt deines Vertrauens. Der wird zwar nicht nur 4,99 Euro im Monat (!) abrechnen, doch dann kannst du in der Regel darauf vertrauen, einen qualifizierten Rechtsrat zu erhalten.
Der Autor Dr. Dirk Christoph Ciper, Fachanwalt für Medizinrecht, ist seit 1995 zivil- und wirtschaftsrechtlich mit einem Tätigkeitsschwerpunkt auf dem Gebiet des Arzthaftungsrechtes tätig. Er ist u.a. Geschäftsführer der ‚Europäischen Anwaltskooperation’ (EAK) – EWIV und Mitgeschäftsführer des ‚Institutes für die Begutachtung ärztlicher Behandlungen’ GbR. Die Sozietät Ciper & Coll. ist bundesweit gegenwärtig an 12 Kanzleistandorten tätig, darüber hinaus ist der Autor auch am ‚Barreau de Paris’ (Rechtsanwaltskammer von Paris) sowie dem ‚Ordine degli Avvocati’ di Roma (Rechtsanwaltskammer von Rom) eingeschrieben. Vor und noch zu Anfang seiner anwaltlichen Tätigkeit war er 15 Jahre lang für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) als ‚Fester Freier Mitarbeiter’ tätig und hat in dieser Zeit etwa 900 Hörfunk und TV-Beiträge für alle ARD-Sendeanstalten produziert.